Digitales Wintersemester startet: haben wir etwas aus dem Sommer gelernt?
Nun startet das Wintersemester so, wie das Sommersemester endete: online. Alle Hoffnungen auf ein Hybridsemester wurden durch die strengeren Corona-Maßnahmen, die pünktlich zum Semesterstart einsetzten, zumindest stark gedämpft. Doch welche Erfahrungen und Lehren können wir aus dem Sommersemester ziehen?
Die Bilanz, die Wissenschaftsministers Bernd Sibler gemeinsam mit den Hochschulen zieht, klingt durchaus positiv. Der Großteil der Lehrenden und Studierenden schätze die zeitliche und örtliche Flexibilität, alle hätten an einem Strang gezogen. Was leider nicht angesprochen wird: Studierende, denen die technische Ausstattung fehlt. WLAN in Wohnheimen, dass regelmäßig zusammenbricht. Studierende, die keinen eigenen Arbeitsplatz haben. Dozierende, die ihrer Lehrverpflichtung nicht mehr richtig nachkommen - „Lesen Sie einfach mein Buch“. Ein viel zu hoher Workload. Wem kommt das nicht bekannt vor?
Sicher, die Online-Lehre kann bereichernd sein. Sie bringt – wie Sibler mehrfach anspricht –Vorteile mit sich: zeitliche Flexibilität, örtliche Unabhängigkeit. Natürlich haben viele Dozierende sich Mühe gegeben und tolle Formate konzipiert! Aber vieles lief auch schief.
Hier einige Beispiele aus meinem persönlichen „worst of“ im digitalen Semester:
Bei einer Online-Klausur hatte sich das Programm aufgehängt, weil es scheinbar überlastet war. Alle Klausuren waren daraufhin weg und mussten mit dem gleichen Programm nochmal geschrieben werden. Denn natürlich hatte es keine Sicherungskopien gegeben.
Eine Vorlesung sollte asynchron stattfinden, d.h. immer mittwochs auf Moodle hochgeladen werden. Am Dienstag bekam ich eine Email, dass die Sitzung, ohne Begründung, am nächsten Tag doch synchron über Zoom stattfände. Ich hatte aber einen Arbeitstag geplant, den ich jetzt natürlich umplanen musste. Als ich mich dann zur angegebenen Zeit in Zoom einloggte, präsentierte sich mir nur eine einzige Folie, auf der folgendes zu lesen war: „Die Vorlesung wird doch hochgeladen. Sorry für die Umstände.“
Dann war da zum Beispiel die Dozentin eines Einführungsseminars, deren Arbeit nur daraus bestand, wöchentlich Texte herumzuschicken, sonst aber nicht auf Fragen zu reagieren. Kommt sie damit noch ihrer Lehrverpflichtung nach, frage ich mich?
Es ist eine neue und ungewöhnliche Situation für alle! Dennoch…
Sicher kann das auch verziehen werden, denn die Situation war für alle Beteiligten neu und irgendwie überfordernd. Viele Herausforderungen und Belastungen prallten aufeinander: Die Angst um die eigene Gesundheit oder die von Freunden und Familie, finanzielle Nöte und vieles mehr. Fehler dürfen gemacht werden, denn aus ihnen kann man lernen. Chancen, die genutzt werden sollten. Es ist schwer, den Austausch und das Miteinander, welches den Unialltag doch so sehr prägt, irgendwie – zumindest teilweise – in einem Online-Semester aufzugreifen. Seminare, die eigentlich von Diskussionen leben, bestehen jetzt aus lauter dunkelgrauen Rechtecken nebeneinander.
Online, ja. Aber Lehre?
Es gab natürlich auch Dozierende, die extrem bemüht waren und beispielsweise zusätzliche Sprechstunden angeboten haben. Eine Dozentin verpackte ihre Vorlesung als Hörspiel. Ein Seminar wurde ergänzt mit selbst gedrehten Lernvideos auf Youtube.
Generell hätte ich mir mehr Transparenz gewünscht. Fragen wie „Wie findet die Lehrveranstaltung statt? Asynchron, synchron, in Präsenz? In welchem Format findet die Prüfung statt?“ müssen konkreter beantwortet werden. Dafür muss die Kommunikation zwischen Fakultät und Studierenden bzgl. Fristen und Prüfungen besser funktionieren. Diese war teilweise gut und teilweise gar nicht vorhanden. Auch der hohe Workload geht jetzt genauso weiter wie im Sommersemester. In der dritten Semesterwoche stehen mir schon fünf Abgaben bevor. Sinnvoll fände ich auch alternative Prüfungsformen, wie z.B. Portfolios anstatt Online-Multiple-Choice-Klausuren. Und schön wären auch Alternativangebote bzw. überhaupt Angebote für Studierende mit Praxisfächern wie Musik, Kunst und Sport.
Man hätte so viel aus dem Sommersemester lernen können, doch ich habe das Gefühl, dass sich nicht wirklich viel geändert hat. Denn ich sitze wieder an meinem Laptop und weiß bei der Hälfte meiner Veranstaltungen noch nicht wann und in welcher Form sie stattfinden – geschweige denn etwas vom Prüfungsformat! Es fühlt sich daher nicht so an, als würde „Der Digitalisierungsschub genutzt werden“, wie Sibler betont. Eher fühle ich mich alleine gelassen.
Zur Autorin: Hannah Seifert studiert Gymnasiallehramt in München und ist als zweite Beisitzerin im Vorstand der Studierenden im BLLV aktiv.