Informations- und Diskussionsveranstaltung zur Lehrer:innenbildung in der Hochschulrechtsreform: Was nehmen wir aus der Veranstaltung mit?

Das Eckpunktepapier zur Hochschulrechtsreform – ein Thema, das in den letzten Monaten für viel Kritik gesorgt hat. Zahlreiche Veranstaltungen und Diskussionsrunden verschiedener Veranstalter fanden bereits statt. Auch wir, die Studierenden im BLLV, luden am Donnerstag, den 25.02.2021 zu einem weiteren Format dieser Art ein – denn ein Thema wurde unserer Meinung nach bisher noch nicht genug beachtet: die Lehrer:innenbildung!


Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV, eröffnete den Abend mit einem Leitgedanken, der sich durch die ganze Veranstaltung ziehen sollte: Wo in diesem Ansatz, in dieser Reform, steckt unsere Chance?

„Veränderungen sind wichtig!“

Dr. Klaus Wild, Leiter der Fachgruppe Hochschule und Prof. Dr. Stefan Seitz, stellvertretender Leiter, legten anschließend die Position des BLLV dar. Sie kritisierten insbesondere die vermehrte Output-orientierung und die damit einhergehende Gefährdung der Geistes- und Sozialwissenschaften, sowie den Abbau der binnendemokratischen Strukturen durch die Umwandlung zu reinen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Ein weiterer großer Kritikpunkt stelle die fehlende Verankerung der Lehrer:innenbildung dar.

„Ist es Absicht oder ungewollt, dass die Lehrer:innenbildung mit keinem Wort erwähnt wird? Ist diese zu unwichtig? Wir brauchen Klarheit für eine gute Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte! Wir brauchen ein Ende des Schweinezyklus!“

Auch von Seiten der Universität durften wir einen Vertreter begrüßen. Dr. Thomas Lerche ist an der Ludwig-Maximilians-Universität am Lehrstuhl für Schulpädagogik tätig und kritisierte aus seiner Sicht als Dozent, dass es jetzt schon zu wenig Zeit gäbe, die Studierenden auf das Schulpädagogik-Staatsexamen vorzubereiten. Es sei nicht möglich, hier noch weiter zu reduzieren – es blieben ja jetzt schon kaum noch Ressourcen für den Kontakt zwischen Dozierenden und Studierenden.

„Wir suchen in diesem Eckpunktepapier noch vergeblich nach Lösungen für die Universitäten!“

Aus Perspektive der Studierenden hielt Hannah Seifert, 3. Vorsitzende der Studierenden im BLLV, ein flammendes Plädoyer. Das Lehramtsstudium sei in so vielen Bereichen reformbedürftig – fehlende Flexibilität, fehlender Praxisbezug und das Staatsexamen als vollkommen veraltete Prüfungsform unter dem Deckmantel der Vergleichbarkeit. Die Reform müsse genutzt werden, um eine qualitätsvolle und einheitliche Lehrer:innenbildung zu garantieren!

„Momentan lerne ich im Frontalunterricht, dass ich später mal keinen Frontalunterricht machen soll. Ist das nicht etwas paradox?“

Die Stellung der Lehre müsse unbedingt verbessert werden, aktuell spiele diese im Eckpunktepapier nämlich kaum eine Rolle und durch die Einführung eines Globaldeputates wäre zu befürchten, dass manche Professoren sich komplett aus der Lehre zurückziehen könnten. Auch der Abbau der binnendemokratischen Strukturen bereite den Studierenden Sorgen, schließlich stellen diese die größte Statusgruppe an den Universitäten dar, ihre Stimmen werden jedoch weder gehört noch  partizipativ miteinbezogen.

„Wir sind diejenigen, die die Zukunft dieses Landes unterrichten sollen – dafür brauchen wir die bestmögliche Ausbildung! Und das liegt auch in der Verantwortung des Staates, der schlussendlich prüft, ob wir einmal eine Lehrkraft werden.“

Anschließend hatten die eingeladenen Politiker:innen die Möglichkeit, Statements abzugeben. Besonders haben wir uns darüber gefreut, dass wir von jeder eingeladenen Partei eine Zusage erhalten hatten und so durften wir Wolfgang Heubisch, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst und Vizepräsident des bayerischen Landtages für die FDP, Verena Osgyan für die GRÜNEN, Dr. Stephan Oetzinger für die CSU, Dr. Hubert Faltermeier für die Freien Wähler und Christian Flisek für die SPD begrüßen. Im Anschluss an die Statements wurden die Teilnehmer:innen mit den Politiker:innen in Breakout-Rooms eingeteilt und hatten die Möglichkeit, Fragen zu stellen und über Impulsfragen zu diskutieren.

Was sagt die Politik dazu?

Dr. Stephan Oetzinger

Das aktuelle Hochschulgesetz ist 15 Jahre alt, die Welt aber verändert sich und wird digitaler. Wir müssen uns fragen, wie wir die besten Köpfe an die Hochschulen bekommen und wie die Studierenden die besten Köpfe der Zukunft werden.

„Alles, was im Wissenschaftsausschuss geschieht, geschieht mit dem Ziel, die Situation der Studierenden zu verbessern.“

Natürlich wird es weiterhin die Geistes- und Sozialwissenschaften geben und auch die Orchideenfächer sollen erhalten bleiben – das ist mir ganz persönlich wichtig, da ich selbst aus der Landesgeschichte komme. Es geht nicht um eine unternehmerische Hochschule – Ziel sind offene Universitäten, nicht nur in die Wirtschaft, sondern auch in die Gesellschaft! Gleiches gilt auch für die Lehrer:innenbildung, diese ist nicht im Eckpunktepapier verankert, aber auch nicht im aktuellen Hochschulgesetz zu finden. Sie liegt in der Zuständigkeit des Kultusministeriums.

Dr. Hubert Faltermeier

Die Hochschulrechtsreform ist ein spannendes und längst überfälliges Vorhaben. Es soll nun nicht mehr nur um Forschung und Lehre gehen, sondern auch um den Transfer. Das heißt nicht nur Transfer von der Universität in die Schulen, sondern auch Rücktransfer von Schulen in die Universitäten. Das Eckpunktepapier ist noch nicht das endgültige Gesetz – wir sollten uns also nicht daran festbeißen. Wir wollen Freiheiten und Machtverteilungen mit Checks und Balance stärken!

„Der Staat möchte sich nicht seine Verantwortung entziehen, sondern den Universitäten mehr Entscheidungsfreiheit geben und die Verantwortung an diese weitergeben. Ich hätte mit mehr Begeisterung für die Hochschulrechtsreform gerechnet.“

Das Hochschulinnovationsgesetz kann keine Berücksichtigung der Lehrer:innenbildung leisten, das muss eher ein Lehrer:innenbildungsgesetz tun.

„Aber ich werde darauf achten, dass die Grundwissenschaften nicht unter den Tisch fallen, das nötige Ansehen bekommen und finanziell unterstützt werden.“

Verena Osgyan

Es ist sehr spannend, wie die Studierenden eingebunden sind. Von vielen Verbänden und Studierenden kommen Briefe, die Kritik äußern und sich nicht gehört fühlen. Das Eckpunktepapier bietet viel Zündstoff – der Diskussionsprozess hätte vorher und nicht nachher stattfinden sollen, deshalb müssen wir jetzt genau hinschauen, wenn es an die Öffentlichkeit geht. Im Detail liegen die Probleme und die Knackpunkte versteckt.

„Die Lehrer:innenbildung gehört an die Universität für eine Verzahnung mit den Geistes- und Sozialwissenschaften!“

Eine Reform bietet auch die Chancen der Veränderung. Gesellschaftlich relevante Themen in der heutigen Zeit müssen in die Lehrer:innenbildung integriert werden, wie beispielsweise Medienbildung. Eine flexiblere Lehrer:innenbildung ist ein wichtiges Mittel, den Schweinezyklus zu durchbrechen – aber es muss auch für Gymnasiallehrkräfte attraktiv sein, an die Mittelschule zu wechseln, beispielsweise durch A13 für alle.

Christian Flisek

Die SPD ist vom Eckpunktepapier enttäuscht. Das beginnt schon beim Leitbild – der Begriff der unternehmerischen Hochschule und die maximale De-Regulation. Es muss Leitplanken geben für die Binnengovernance! Die Regierung zieht sich hier aus der Verantwortung und schiebt diese an die Universitäten. Aspekte der Gleichstellung und Nachhaltigkeit fehlen komplett, jedoch werden an den Universitäten Führungskräfte der Zukunft ausgebildet – und diese müssen auch solche Dinge lernen.

„Studierende sollen nicht zu Konsumenten von Dienstleistungen degradiert werden, wir brauchen echten Austausch auf Augenhöhe!“

Der Startprozess war sehr intransparent, das Eckpunktepapier war Verschlusssache – das ist nicht gerade vertrauensbildend. Ein neuer Prozess sollte maximal transparent sein und alle mitnehmen.

„Das Geld, das eh nicht reicht, kriegt ihr einmal im Jahr als Scheck überwiesen und könnt damit machen, was ihr wollt – der Staat zieht sich hier ganz klar aus der Kontrolle!“

Dr. Wolfgang Heubisch

Wir brauchen keinen Staat, der immer wieder eingreift – wenn die Hochschule nicht weiß, wer der Beste ist, dann weiß auch das Ministerium nicht, wer berufen werden soll! Bisher habe ich mich nicht um die Lehrer:innenbildung bemüht, weil sie im Kultusministerium angesiedelt ist. Es ist wichtig, das Lehramtsstudium vom Schüler oder der Schülerin her zu denken. Die Lehrer:innenbildung steht an den Universitäten nicht immer im Vordergrund – sie sollte aber in die Wissenschaft mithineingezogen werden. 

„Ich sehe in der Zukunft auch Chancen und nicht immer nur Probleme!“

Wir müssen den Universitäten zwar vorschreiben, dass sie Lehrer:innenbildung zu machen haben – aber mit mehr Freiheit und Selbstverantwortung, denn daraus ergeben sich große Chancen für die Hochschulen.

Was können wir also aus dieser Veranstaltung mitnehmen?

In einem Punkt waren sich alle Beteiligten einig: Die Lehrer:innenbildung wurde in den letzten Jahren häufig vernachlässigt.  Zu oft wurden in der Vergangenheit Zuständigkeiten nur hin- und hergeschoben. Es ist uns gelungen, die anwesenden Politiker:innen für die Problematik zu sensibilisieren. Das ist ein Anfang, aber eben nur ein Anfang – den Worten müssen nun auch Taten folgen!

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Teilnehmenden und Mitwirkenden, ohne die diese Veranstaltung nicht zustande gekommen wäre – und ganz besonders bei unserer ersten Vorsitzenden Laura Teichmann, die uns mit ihrer tollen Moderation durch den Abend geführt hat!

Hannah Seifert, 3. Vorsitzende der Studierenden im BLLV