Die Nerven liegen blank
Mitte März wurde aufgrund der Corona-Pandemie das Aussetzen der ersten Staatsprüfung verkündet. Sechs Wochen harrten die Prüfungskandidaten und Prüfungskandidatinnen seitdem ohne weitere Informationen aus. Heute, am 29. April, wurde auf der Seite des Kultusministeriums verkündet, dass die Prüfungen am 18.05.2020 fortgeführt werden.
Warum diese Bekanntmachung für die Mehrheit der Studierenden ungenügend ist, macht Laura Teichmann* als Vorsitzende der Studierenden im BLLV in ihrem Kommentar deutlich.
In Anbetracht der aktuellen Lage zeigten sich die Betroffenen geduldig und verständnisvoll, dass es bei dieser Entscheidung zu Verzögerungen kam. Aber sechs Wochen? In dieser Zeit wurden die Studierenden voller Unsicherheit, Perspektivlosigkeit und Angst zurückzulassen – das hinterlässt Spuren.
Neben dem psychischen Druck der ohnehin schon sehr fordernden Prüfungssituation, leiden sie Studierenden unter erschwerten Bedingungen und Einschränkungen hinsichtlich der Vorbereitung. Die Betroffenen stehen vor unterschiedlichsten Herausforderungen durch die Schließung von Bibliotheken, das Fehlen von Literatur, der Wegfall der Einnahmen aus einem Nebenjob, das Auslaufen des Mietvertrags, die Betreuung der eigenen Kinder und vielem mehr. Diese individuellen Umstände finden in der Verkündung des weiteren Vorgehens keinerlei Beachtung.
„Werden wir auch als Menschen betrachtet, oder sind wir Lernmaschinen? Die emotionale Belastung ist enorm, der schon ohnehin groß Druck steigt ins Unermessliche und die Nerven liegen blank.“ (Kommentar eines Lehramtsstudenten)
Uns erreichen täglich bis zu 100 Nachrichten. Unter den Staatsexamenskandidaten und Staatsexamenskandidatinnen herrscht große Unsicherheit – viele Informationen fehlen weiterhin. Vor allem stellt sich die Frage: Wie sieht es mit dem Start ins Referendariat aus? Wir haben Verständnis dafür, dass noch nicht alles im Detail feststeht, aber wir wünschen uns eine offene Kommunikation! So, wie es aktuell läuft, wächst das Gefühl, dass wir vergessen werden. Wir fühlen uns nicht gesehen und nicht wertgeschätzt!
Dabei werden wir, die werdenden Lehrer und Lehrerinnen in den nächsten Schuljahren so dringend gebraucht! Das Problem des Lehrermangels wird immer akuter. Die Stimmung unter den Absolventen und Absolventinnen ist alarmierend:
„Wir können einfach nicht mehr. Unsere Akkus sind leer und wir können diesem Druck nicht mehr standhalten. Aktuell sehe ich mich nicht mehr in der Lage, im September in das Referendariat gehen zu können und ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob ich das überhaupt noch möchte!“ (Nachricht einer Lehramtsstudentin)
Die individuellen Umstände in dieser Ausnahmesituation müssen bei der Durchführung bzw. in der Bewertung des Examens Beachtung finden. Diese Situation ist außerordentlich, deshalb braucht es außerordentliche Maßnahmen: Ein zusätzlicher Freiversuch oder die Möglichkeit eines kurzfristigen Zurücktretens von der 1. Staatsprüfungen sind, neben einer angemessenen und wertschätzenden Korrektur, das Mindeste. Davon ist leider noch nichts zu spüren.
Trotz der außerordentlichen Einschränkungen werden es die meisten von uns wohl schaffen, diese Situation zu meistern. Jedoch hinterlässt die Phase des Staatsexamens noch tiefere Spuren, als sonst. In dieser Extremsituation zeigt sich – mal wieder – wie starr das Konzept des Examens ist und dass dieses mittelfristig modernisiert werden muss! Eines ist sicher: so geht es nicht weiter!
Wir, die Studierenden im BLLV , fordern faire Bedingungen und ein faires Staatsexamen. Jetzt noch mehr als je zu vor. Wir brauchen junge, motivierte Absolventen und Absolventinnen, die als zukünftige Lehrkräfte ihr Wissen mit Freude und Elan an die Generation von morgen weitergeben.
Zur Autorin: Laura Teichmann studiert Mittelschullehramt in Passau und ist als erste Vorsitzende im Vorstand der Studierenden im BLLV aktiv.