
Digitales Semester: große Herausforderungen und neue Möglichkeiten
Im Rahmen der diesjährigen Aktionswoche starteten die Studierenden im BLLV eine Umfrage zum Digitalen Sommersemester 2020. Die Antworten von rund 1.400 Lehramtsstudierenden aus ganz Bayern zeigen: es gibt durchaus positive Erfahrungen. Die Studierenden sind jedoch stark belastet und sehen in vielen Bereichen Verbesserungsbedarf.
"Wir fühlen uns vergessen und wollen auf uns aufmerksam machen", mit dieser Intention entstand die Idee einer bayernweiten Umfrage unter Lehramtsstudierenden zum Verlauf des Sommersemesters, das durch den Ausbruch der Corona Pandemie vorwiegend Online durchgeführt wurde. 1.400 Studierende aus unterschiedlichsten Semestern und Lehrämter aller Schularten nahmen an der Umfrage teil. Diese hohe Rücklaufquote bestätige die Brisanz des Themas, so der Vorstand der Studierenden im BLLV.
Große Herausforderungen
Der überdurchschnittlich hohe Workload belastet viele Studierende und der persönliche Kontakt fehlt.
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen deutlich, dass die Arbeitsbelastung der Studierenden durch das digitale Semester spürbar zunimmt. Rund 90% der Befragten kritisieren einen zu hohen Workload und einen Anstieg des Lernaufwands im Vergleich zu einem "normalen" Semester. Dabei fühlen sich nur knapp 30% der Befragten gut auf die Prüfungen vorbereitet. Mehr als 70% der Befragten haben Sorge, dass die gegebenen Rahmenbedingungen zu schlechten Noten führen und fast die Hälfte gab an, dass sich ihr Studium durch das Online-Semester verlängern wird. Hinsichtlich der Praktika hat die Hälfte der Befragten Schwierigkeiten, diese planmäßig durchzuführen.
Die aktuelle Situation löst bei 40% der Befragten Gefühle der Angst oder Panik aus. Rund die Hälfte fürchten um ihre Zukunftspläne. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Studierenden aufgrund des hohen Workloads Zweifel haben, ihren Aufgaben gerecht werden zu können und sie sich in dieser Ausnahmesituation seitens der Universitäten nicht ausreichend unterstützt fühlen. Außerdem spüren 80% in ihrem Studium eine negative Auswirkung auf soziale Kontakte. Persönliche Sprechstunden können größtenteils nicht gewährt werden.
„Meine Veranstaltungen sind im Allgemeinen sehr interessant (...), aber ihnen fehlt ein wichtigstes Element: Die Nähe. Der reine, freie zwischenmenschliche Austausch. Egal, wie viele Auswege man sucht, nichts kann diesen Part ersetzen.“
Auch generelle Unsicherheiten, wie zum Beispiel bezüglich der Studienfinanzierung, schüren offensichtlich das Angstgefühl der Studierenden. Rund die Hälfte der Studierenden hat durch das "Corona Semester" bereits Einbußen.
Neue Möglichkeiten
Digitale Entwicklungen werden beschleunigt und Prüfungsformen ermöglicht, die zuvor undenkbar gewesen wären.
Rund 90% der Befragten gaben an, dass alternative Prüfungsformen ermöglicht werden. Vor dem Hintergrund, dass derart neuartige Prüfungsformen noch vor wenigen Monaten undenkbar waren, ist diese Entwicklung auch als Fortschritt zu werten.
Überdurchschnittlich positiv wurde außerdem die gute Kommunikation seitens der Universitäten bewertet. Dabei gaben 87% der Befragten an, dass ihre Dozierenden auch auf digitalem Wege gut erreichbar sind.
Der Ausbau digitaler Alternativen fand unter den Studierenden auch Anklang. So kann sich fast die Hälfte der Befragten weiterhin vorstellen, Online Veranstaltungen, wie große Vorlesungen oder universitätsübergreifende Kurse, zu besuchen. Was die Technik am Heimarbeitsplatz angeht, gab die Mehrheit an, am Heimarbeitsplatz gut ausgestattet zu sein.
An digitalen Veranstaltungen lobten die Studierenden die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Plattformen, wie Breakoutrooms, die Gruppenarbeiten auch in digitaler Form ermöglichen. Außerdem werden Dozierende geschätzt, die sich in den Seminaren aktiv mit den Studierenden beschäftigen und beispielsweise durch das Aktivieren ihrer Kamera eine persönliche Atmosphäre schaffen. Auch die Chatfunktion wird als praktische Alternative zur Meldung in großen Hörsälen empfunden.
Wünsche und Forderungen für die Zukunft
Frühzeitige Kommunikation und Weiterbildungen zur Nutzung digitaler Tools.
Rund 80% der Befragten wünschen sich zum Wintersemester eine Rückkehr zur Präsenzlehre. Falls wieder ein digitales Semester bzw. ein Semester mit digitalen Elementen folgen sollte, wünschen sich die Studierenden generell eine frühzeitigere Kommunikation seitens der Universitäten, die ihnen Struktur und Klarheit gibt. Außerdem muss der Workload angepasst werden, indem beispielsweise der Aufwand für zusätzliche Eigenerarbeitung berücksichtigt wird. Vor allem brauchten die Studierenden Sicherheit. Dass sich 70% der Prüfungsformen im Laufe des Semesters geändert haben und Seminare spontan abgesagt werden bzw. Seminare spontan digital abgehalten werden, wird von den Studierenden als belastend empfunden. Besser wäre es, einiges bereits digital fest einzuplanen, sodass sich die Betroffenen darauf vorbereiten können.
Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf eines digitalen Semesters ist in Zukunft ein Angebot an Weiterbildungen bezüglich der Benutzung digitaler Tools für Studierende und Dozierende zu schaffen. Entsprechende Fortbildungen würden den Dozierenden auch ermöglichen, ihre Seminare digital mit mehr Kreativität und Abwechslung durchzuführen und die Studierenden besser zu motivieren.
Ausblick
Wir gehen in den Dialog.
"Wir sind verantwortlich für die Bildung der nächsten Generation. Deswegen ist es wichtig, dass uns angehenden Lehrern und Lehrerinnen auch in diesen Zeiten eine faire und qualitativ hochwertige Bildung ermöglicht wird", ist der Vorstand der Studierenden im BLLV sich einig. Dafür müsse noch einiges getan werden. Um herauszufinden, welche Stellschrauben gedreht werden müssen, um digitale Elemente im Lehramtsstudium zu optimieren, muss den Lehramtsstudierenden vor allem Gehör geschenkt werden.
Im Laufe der nächsten Wochen werden die Ergebnisse regional auf die Universitätsstandorte heruntergebrochen, um mit den regionalen Verantwortlichen in Kontakt zu treten und gemeinsam zu überlegen, welche Lösungen zu einer generellen Verbesserung eines digitalen Semesters beitragen würden. Außerdem werden die Studierenden, auf Basis der Ergebnisse, das Gespräch mit der Politik suchen.