Islam
Artikel zur Umfrage von Mustafa Cakmak

Räume der Stille/Gebetsräume an bayerischen Hochschulen

Bildung und Glaube sollten sich nicht ausschließen, sondern harmonisch zusammenpassen. Dieser Wunsch spiegelt die Realität vieler muslimischer Studierender in Bayern wider – doch im Hochschulalltag stoßen sie dabei oft auf Herausforderungen. Für viele gehört das Gebet zum Alltag – doch im stressigen Hochschulleben wird es zur Herausforderung, einen ruhigen Ort dafür zu finden.

Zwischen Vorlesungen, Seminaren und dem Lernen in der Bibliothek bleibt kaum Zeit, einen passenden Ort zu suchen. Während einige Hochschulen Räume der Stille oder Gebetsräume anbieten, fehlt es an anderen Orten an solchen Rückzugsmöglichkeiten. Auch ich, als muslimischer Student, erlebe dieses Problem immer wieder. Zwar bieten einige Universitäten Räume der Stille an, in die sich Musliminnen und Muslime zum Gebet zurückziehen können, doch vielerorts bleibt nur der Griff zu Notlösungen. Wenn die Zeit drängt, weicht man oft auf Treppenhäuser oder leerstehende Räume aus – immer mit dem belastenden Gedanken, jemanden stören zu können. Man fühlt sich unwohl und fragt sich: Was, wenn plötzlich jemand reinkommt? Was, wenn mich jemand darauf anspricht oder sich sogar beschwert?

Der Wunsch nach Rückzugsorten

Viele muslimische Studierende fordern daher einen separaten Raum, der als Safe Space dienen soll. Einige Universitäten und Hochschulen in Deutschland bieten bereits überkonfessionelle, religionsneutrale Räume der Stille an – ein Beispiel ist die Hochschule München. Für die Hochschule soll der Raum eine Rückzugsmöglichkeit von Stresssituationen sein und Studierenden, Mitarbeitenden sowie Lehrenden die Möglichkeit geben, zur Ruhe zu kommen, bewusst abzuschalten, sich zu entspannen und Kraft zu schöpfen. Doch wie sieht es an anderen bayerischen Hochschulen aus? Und was sagen muslimische Studierende zu diesem Thema? Um ein genaueres Bild der Situation zu bekommen, habe ich eine Umfrage unter 132 muslimischen Studierenden in Bayern durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Der Wunsch nach angemessenen Räumen ist groß – doch vielerorts bleibt die Realität hinter den Bedürfnissen zurück.

Bestehende Angebote und ihre Grenzen

Die Umfrage zeigt: Rund 45 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Hochschule einen Raum der Stille anbietet. Diejenigen, die Zugang zu solchen Räumen haben, sind oft zufrieden – dennoch gibt es Kritikpunkte. Einige Studierende berichten, dass die Räume zu klein sind oder mit anderen Nutzungen, wie Yoga-Kursen oder Stuhlkreisen, geteilt werden, was die Verfügbarkeit einschränkt. Zudem wird bemängelt, dass es an Stauraum für Gebetsteppiche und Gebetskleidung fehlt. Ein weiteres Problem stellt die Gebetswaschung (Wudu/Abdest) dar, die im Islam vor dem Gebet erforderlich ist. An vielen Hochschulen gibt es keine geeigneten Einrichtungen dafür. Die Betroffenen müssen entweder zu Hause die Waschung vornehmen oder auf öffentliche Toiletten ausweichen – oft verbunden mit der Sorge, auf Unverständnis oder Beschwerden zu stoßen.

Ein/e Studierende/r berichtet: "Ich muss mich verstecken oder zur einzigen Bibliothek mit Gebetsraum in München fahren, was ziemlich umständlich ist. Mich stresst das Thema sehr, da es vor allem mit dem Wudu kompliziert werden kann und man immer Angst hat, in einer Ecke beten zu müssen."

Hochschulen ohne Gebetsräume – Das wünschen sich muslimische Studierende

Mehr als die Hälfte der Befragten (ca. 52 Prozent) gaben an, dass es an ihrer Hochschule überhaupt keinen Raum der Stille gibt. Dies führt dazu, dass Gebete in improvisierten Räumen stattfinden müssen – oft unter großem Unwohlsein.

Ein/e Studierende/r erzählt: "Ich möchte einen Raum der Stille, damit ich ungestört beten kann und andere durch mein Gebet nicht störe. Ich wünsche mir einen sicheren Ort, an dem man während des Gebets keine Angst haben muss, diskriminiert zu werden oder das Gebet unterbrechen zu müssen. Da es keinen Raum im Unigebäude gibt, muss ich regelmäßig Vorlesungen früher verlassen, um meine Gebete in einer Moschee zu verrichten."

Ein/e Studierende/r der FAU Erlangen-Nürnberg äußerte sich zum neu eröffneten Raum der Stille an der WiSo-Fakultät in Nürnberg: "Der ausschlaggebendste Grund für meine Zufriedenheit ist eigentlich nur der Fakt, dass wir endlich einen Raum zur Verfügung bekommen haben. Leider noch nicht in Erlangen – was ich zwar verstehe, aber dennoch sehr schade finde."

Ein/e weiter/e Studierende/r aus Erlangen fordert: "Ich würde mir wünschen, dass wir endlich am FAU-Campus in Erlangen eine Möglichkeit haben zu beten. So viele Räume stehen oft leer und werden nicht genutzt."

Auch in München wird das Fehlen solcher Räume bemängelt: "Für LMU-Studenten gibt es leider keinen Raum mehr, in dem man die ‚Erlaubnis‘ bekommt, seine Gebete auszuführen. Leerstehende Räumlichkeiten gibt es zu jeder Tageszeit genug, nur die Akzeptanz seitens der LMU fehlt, den muslimischen Studenten einen sicheren Ort dafür zu bieten."

Kritik an Verboten und fehlender Akzeptanz

Ein weiteres Problem, das mehrfach angesprochen wurde, ist der fehlende Respekt gegenüber dem Bedürfnis zu beten. Einige Studierende berichteten sogar von expliziten Verboten: "Das explizite Verbot (mit Schildern und Bebilderungen) in den Räumlichkeiten der FAU zu beten, empfinde ich als diskriminierend."

Ein/e andere/r Studierende/r erzählt: "Es gab bei mir wirklich Tage, an denen ich extra nicht zur Uni gefahren bin, weil ich keinen Platz zum Beten habe und keine Lust hatte, dass mich jemand dabei sieht. Das ist wirklich ein großes Problem, gerade für Leute, die auch soziale Ängste haben, wie ich."

Forderungen nach Inklusion und Respekt

Die befragten Studierenden formulierten klare Wünsche: Mehr Gebetsräume, einheitliche Regelungen und eine bessere Berücksichtigung muslimischer Bedürfnisse. Dabei wird betont, dass solche Räume nicht nur Muslimen zugutekommen, sondern allen Studierenden als Rückzugsort dienen können: “Ein Gebets-/Ruheraum an der LMU wäre eine wertvolle Unterstützung für viele muslimische Studierende, für die das Gebet ein fester Bestandteil ihres Alltags und ihrer Identität ist. Ein solcher Raum wäre ein Zeichen des Respekts und der Akzeptanz gegenüber religiösen Bedürfnissen und würde es ermöglichen, die Religion frei auszuleben.”

Ein/e weitere/r Studierende/r betont: “Die Sichtbarkeit muslimischer Studierender an Universitäten ist sehr wichtig. Die Universität ist ein Ort für alle Menschen. Ein Raum der Stille ist für mich ein Zeichen von Respekt, interreligiösem Verständnis und echter Chancengleichheit. Der Islam gehört zu Deutschland, und wir Muslime gehören zu Deutschland. Daher ist die Berücksichtigung im öffentlichen Leben, auch an den Universitäten, notwendig.”

Ein Raum, große Wirkung?

Die Umfrage macht deutlich, dass der Bedarf an Gebetsräumen und Rückzugsorten für muslimische Studierende in Bayern groß ist. Während einige Hochschulen bereits Räume der Stille anbieten, bleiben andere weit hinter den Erwartungen zurück. Es geht nicht nur um einen Ort zum Beten – es geht um Sichtbarkeit, Akzeptanz und das Gefühl, an der Hochschule genauso dazuzugehören wie alle anderen. Die Frage bleibt: Wie lange dauert es noch, bis Hochschulen diesem Wunsch nach Inklusion gerecht werden?

Ich wünsche allen muslimischen Studierenden ein schönes Eid al-Fitr (Fest des Fastenbrechens)! Eid mubarak! Ich hoffe, ihr hattet einen gesegneten Ramadan und wünsche euch sowie euren Familien einen schönen Feiertag! Zudem danke ich allen, die an der Umfrage teilgenommen haben.

Mustafa Cakmak, 3. Beisitzender der Studierenden im BLLV, studiert in München Gymnasiallehramt mit der Fächerkombination Englisch und Geschichte.