Das Lehramtsstudium braucht mehr Bildungspolitik

In der Lehrerbildung muss es auch um Schule gehen.

Ich studiere Lehramt in Baden-Württemberg, mache aber gerade ein Praktikum beim BLLV. In der Bewerbung habe ich natürlich geschrieben, dass ich als zukünftiger Pädagoge ein großes Interesse an bildungspolitischen Themen habe. Das war nicht komplett gelogen. In der ZEIT habe ich immer brav den CHANCEN-Teil gelesen und mir schon auch ein paar Gedanken dazu gemacht. Einen Überblick über die bildungspolitische Debatte hatte ich aber trotz meiner fünf Lehramtssemester ganz und gar nicht.

Im Studium geht es nicht um Bildungspolitik.

Neben sehr viel Fachwissen gibt’s ein bisschen Didaktik und noch weniger Bildungswissenschaften. Um Inklusion, Integration, Digitalisierung, Leistungsorientierung, Stundenkontingente, eine längere gemeinsame Grundschule, gleiches Gehalt für alle LehrerInnen oder die Arbeitsbedingungen von SchulrektorInnen geht es nie. Ganz zu schweigen von alternativen Schulformen wie Gemeinschafts-, Gesamt-, Waldorf- oder Montessorischulen. Ich glaube, dass wir nicht nur mündige Schüler und Schülerinnen, sondern auch mündige Lehrer und Lehrerinnen brauchen. Ich will als Lehrer Ahnung von der Bildungspolitik haben.

Ich will mitdiskutieren können.

Ich bin mir sicher, dass das auch bei der täglichen Arbeit helfen würde. Wenn ich über die Diskussion um die Digitalisierung Bescheid weiß, kann ich mich begründet für oder gegen den Einsatz bestimmter Medien entscheiden. Ich wüsste nach meinem Studium, was es heißt, zum Beispiel an einer Gemeinschaftsschule zu arbeiten und könnte mich bewusst orientieren. Ich wüsste um die Diskussionen bzgl. der Leistungsorientierung. Wenn ich selbst eine Meinung dazu habe, kann ich meinen Unterricht dementsprechend anpassen. Reflektierte Lehrerinnen und Lehrer können sich den Kindern und Jugendlichen viel besser erklären und ihre Entscheidungen begründen. Außerdem würde ein gut informiertes Lehrpersonal Verbesserungen im Bildungssystem beschleunigen: Es würde mehr und tiefer über Bildungspolitik diskutiert werden. Bildungspolitische Forderungen wären lauter und stärker.

Es wäre schön, wenn der Praxisschock ein wenig abgemildert werden würde.

Ich will nicht erst in der Schule merken, welchen Herausforderungen ich als Lehrer gegenüberstehe.

Der Autor, Samuel Hofer, studiert Lehramt in Baden-Württemberg.