Um uns als frisch gegründetes Referat zu finden, nutzten wir die Möglichkeit, gemeinsam in unserer wunderschönen Hauptstadt Berlin einen großen Schwung der pulsierenden Energie und charakteristischen Offenheit mitzunehmen und einen breiten wie tiefen Einblick in die Entwicklung unserer Themen auf Bundesebene zu bekommen. Auf unserer Klausur kamen wir ins Gespräch mit Politiker*innen, vernetzten uns mit der Bundesstiftung Gleichstellung und gingen in tiefen Austausch mit dem Deutschen Beamten Bund und dessen Abteilung für Frauen und Gleichstellung.
Das Ergebnis war ernüchternd. Dass es auf fast allen Ebenen noch viel Arbeit gibt, ist unbestreitbar. Aber dazu kommen wir später. Zunächst ein kleiner Überblick auf unsere einzelnen Programmpunkte:
Besuch im Bundestag und Gespräch mit MdB Sebastian Brehm (CSU, Wahlkreis Nürnberg)
Unsere Arbeit in Berlin begann im sogenannten „Motor des Bundestages“, dem Paul-Löbbe-Haus. Nach einer kleinen Führung trafen wir den CSU-Abgeordneten und Minister des Bundestags Sebastian Brehm und stiegen inhaltlich mit dem Strukturproblem Steuern und dem von der CSU/CSU kürzlich eingereichten Familienantrag ein. Demnach soll es zukünftig nicht nur eine steuerliche Erleichterung für durch den Arbeitgeber bezahlte Kita-Beiträge geben, sondern endlich auch für Hortkosten.
Ein weiterer Gesprächspunkt war das sogenannte Ehegattensplitting, die häufig genutzte Kombination der Steuerklassen III - V, welche immer noch für viele Frauen eine erhebliche Falle in Bezug auf Altersarmut bedeutet. Die Aufklärung darüber, so waren sich alle einig, ist ein wichtiger Sachverhalt auch für Lehrerinnen und Lehrer. Spannend für alle Mandatsträger*innen im BLLV war, dass die Forderungen nach steuerlicher Anerkennung von Funktionsstellen im Ehrenamt, eine Forderung der BLLV-Mandatsträger im BBB und auch des DBB, deutliche Unterstützung durch den Abgeordneten Brehm erfuhren.
Im Anschluss verfolgten wir auf der Tribüne gespannt eine Plenarsitzung. Wir danken an dieser Stelle besonders Frau Santos und MdB Michael Frieser für die Unterstützung!
Bundesstiftung Gleichstellung - Lisi Maier und Dr. Arn Sauer
Am Nachmittag besuchten wir die Bundesstiftung Gleichstellung. Lisi Maier und Dr. Arn Sauer stellten die 2021 gegründete bundesunmittelbare Stiftung vor, deren Aufgaben darin besteht, Informationen bereitzustellen, die Praxis zu stärken und neue Ideen für die Gleichstellung zu entwickeln. Mit besonderem Interesse hörte das Referat G! bei den Erläuterungen zum Optionszeitenlabor von Prof. Ulrich Mückenberger zu, welche die Bundesstiftung Gleichstellung mit der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik auf seine Machbarkeit untersuchen sollte. Grundlage des Modells ist die Idee von „atmenden Lebensläufen“, in denen Arbeitenden zwei Jahre für Weiterbildung, sechs Jahre für Pflege und ein Jahr für Selbstfürsorge zur Verfügung gestellt werden sollen. Bei der Überprüfung stellten sich schnell Komplikationen heraus, die es weiter zu lösen gilt - wie beispielsweise die Finanzierungsfrage.Forciert werden soll außerdem ein Vorschlag aus dem 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, der sich mit einem Gutscheinsystem für haushaltsnahe Dienstleistungen befasst.
Zum Schluss bekamen wir noch eine Führung durch die wirklich erstaunlichen Räumlichkeiten der Stiftung: Ein barrierefreier und neutraler Open Working Space, bei dem sich bemüht wurde auf möglichst alle Aspekte der Diversität einzugehen. Von Bodenleitsystem über behindertengerechte Unisex WCs bis hin zu einem extra bedürfnisgerecht eingerichteten „Arbeit mit Kind“ Büro war alles dabei. Es war mehr als inspirierend zu sehen, dass es eben doch geht. Ein Arbeitsplatz für wirklich alle. Ein Ort an dem gebührend an der Zukunft und einer besseren Welt gearbeitet werden kann.
Deutscher Beamten Bund - Ulrich Silberbach (Bundesvorsitzender)
Am Samstag tauschten wir uns mit dem Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbunds Ulrich Silberbach aus. Er stimmte in den Gleichklang mit ein, der uns schon von Anfang an begleitete: dass wir von wirklicher Gleichberechtigung noch sehr weit entfernt sind. Unmittelbare Ziele sind aus seiner Sicht die Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit konkreten Regelungen und die Einführung von Pflegegeld, das es analog zu Kinder- und Elterngeld geben müsste. Mit Blick auf Ehrenamtliche forderte er eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt.
Bezüglich einer Neuauflage der Wehrpflicht betonte er, dass diese zusammen mit einem freiwilligem sozialem Jahr und dem Ehrenamt gedacht werden muss. Auf die Nachfrage nach Anerkennung von Ehrenamt entgegnete der dbb-Vorsitzende, dass es eine Steuergutschrift geben sollte. Verabschiedet hat er sich mit den Worten: „Bleibt mutig und unbequem!“
Milanie Kreutz - Bundesvorsitzende dbb Frauen und stellv. Bundesvorsitzende dbb
Abschließend informierte uns die Vorsitzende der Bundesfrauenvertretung, Milanie Kreutz, über den Aufbau, die Aktionen und Ziele der dbb-Frauen. Außerdem stellte sie die Forderungen der Frauenvertretung vor: Erhöhung der Rentenpunkte für Kindererziehungszeiten, Ausweitung der Anrechnungszeiträume für Erziehungszeiten, Flexiblere Regelungen zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten und automatische Anrechnung von Pflegezeiten über die Pflegekasse. Milanie Kreutz betonte dabei vor allem, dass beim Thema Gleichberechtigung eine Investition in Bildung und Bindung unverzichtbar sei.
Weiter ging es um aktuelle Themen wie die Rentenlücke in Deutschland, die damit verbundene Altersarmut, die Ursachen des Gender-Pay-Gaps, die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sowie die Etablierung flexibler Arbeits- und Führungsmodelle zur besseren Aufteilung der Sorgearbeit. Besonderen Wert legte die Bundesvorsitzende darauf, dass die Gleichstellungsdebatte auch in der Familie geführt werden muss.
Zusammengefasst
Wir waren geschockt, wie sehr die Gleichberechtigung in unserem System noch hinterherhinkt. Abgesehen von der emotionalen Empörung über die Zustände sind wir auf einen noch völlig nüchternen, ökonomischen Aspekt gestoßen: Unser System kann sich eigentlich keine Diskriminierung mehr leisten.
In Zeiten massiven Fachkräftemangels müssen wir alle in ein Boot holen und gleichwertig an einem gemeinsamen Strang ziehen. Allein wenn wir den demographischen Wandel betrachten haben wir langsam weder genügend Zeit, Geld noch andere Ressourcen, um die Infrastruktur unserer Gesellschaft am Laufen zu halten. Wir brauchen jede Person die arbeiten kann, und zwar in einem System in dem alle gut arbeiten können. Die Zeit ist mehr als reif, um mehr auf jene zu schauen, die leisten können und leisten wollen.
Zahllose Beispiele dafür finden wir im Ehrenamt, dem Feld der Care Arbeit und dem gesamten sozialen Sektor. Diese sichern zwar langfristig den Erhalt unserer Gesellschaft, bringen aber im Gegensatz zu anderen Wirtschaftssektoren kein direktes Geld ein. Es handelt sich um eine langfristige Investition, die besonders in politischer Hinsicht verhältnismäßig wenig Beachtung findet. All den genügsamen, stolzen und gutherzigen Kämpfenden des sozialen Sektors wird nicht genügend Wertschätzung und Anerkennung entgegengebracht. Das System steht simpel gesagt kurz vor dem Zusammenbruch, obwohl wir eigentlich genügend Leute hätten, um es aufzufangen. Würden wir sie nur richtig unterstützen und entlasten und ihnen die Möglichkeit geben das zu tun, was sie am besten können, nämlich für andere und einander da zu sein. Mit Herz, Kopf und Hand.
Aus den vielen Gesprächen nehmen wir zahlreiche Impulse, neue Ideen und Anregungen für unsere aktuellen Schwerpunktsetzungen Rollenbilder und Vereinbarkeit Beruf-Familie-Ehrenamt-Pflege mit. Außerdem haben wir neue Anregungen für zukünftige Themenfelder gesammelt. Alle aktuellen Berichte zu den Schwerpunkten sind auf der BLLV- Homepage unter dem Themenfeld Gleichberechtigt! zu finden.
Auch ich, als Mitglied im Vorstandsteam der Studierenden, nehme viel aus Berlin mit in unsere Arbeit. Ob in unseren Gesprächen, in unseren Positionspapieren oder der Gremienarbeit, Gleichberechtigung liegt uns am Herzen und wir werden uns weiter dafür einsetzen.
Tobias Moser, 4. Beisitz der Studierenden im BLLV, studiert Grundschullehramt an der Uni Passau